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Kita – Ein Nachwort

Im Nachgang zu meinem Blog-Post über die ersten Wochen in der amerikanischen Kita ging mir nochmal einiges durch den Kopf. Was sicherlich auch der Krümel gemerkt hat, war meine eigene Unsicherheit in dem neuen Umfeld einer anderen Kita-Kultur in einem mir doch in vielen Teilen noch fremden Land. Wir haben nicht viele Kitas gesehen. Drei im letzten Jahr bei unserem Look-and-See-Trip, zwei hier im Sommer dann in unserer neuen Wohngegend, wobei die beiden hätten nicht unterschiedlicher sein können. Aber gemeinsam hatten doch beide deutliche Unterschiede zu den deutschen Kitas, was mich natürlich beeinflusste und mich unbewusst innerlich weniger optimistisch und von meiner Entscheidung überzeugt sein ließ, auch wenn ich das versuchte zu überspielen und mir sagte: „Der Krümel wird das alles überleben. So lange sie ihn gut behandeln.“ Aber es war da, in mir, trotzdem. Und er merkte das sicherlich auch. 

In einigen Punkten versuchte ich, ein wenig deutsche Kultur einzuführen… vergeblich. Es gibt nämlich im Land der Freiheit sehr viele Regeln und Einschränkungen, wenn es um das alltägliche Kita-Leben geht. Das Essen zum Beispiel. In 90% der Fälle wird ja gar kein Essen angeboten. Das heißt, man muss immer vorkochen. Und da diese Kitas auch nichts aufwärmen dürfen, muss man entweder einen Thermobehälter nutzen oder etwas mitgeben, was kalt gegessen wird. Unsere Kita, auch ein wichtiger Entscheidungsgrund dafür, verpflegt die Kinder. Die Kitaleitung darf aber das Essen nicht komplett frei wählen. Vom School District, also dem Schulbezirk, und dem Bundesstaat sind dafür nur bestimmte Lebensmittel zugelassen. Auch gibt es Richtlinien, wieviel aus welcher Lebensmittelgruppe ein Kind pro Tag erhalten soll. Vielleicht erklärt das ja die für mich etwas komischen Zusammenstellungen wie Käsepasta mit grünen Bohnen und Hot Dog. Das nach den Richtlinien erstellte Menü ist im Großen und Ganzen deshalb dann auch jede Woche gleich. Ab und an kann mal saisonal was ersetzt werden. Womöglich gibt es hierzu auch Richtlinien oder Vorgaben in Deutschland, aber gefühlt wird da dann doch noch etwas mehr auf Abwechslung geachtet. Was sicherlich nicht zwingend leckerer sein muss… aber ich hab in der Kita auch noch nicht mitessen dürfen. Wegen Corona und so.

Da die Ernährungsgewohnheiten eines 3-Jährigen sowieso hauptsächlich aus Nudeln mit „Sauci“ (Ketchup/Mayo) bestehen oder er eh lieber das isst, was alle anderen essen, als das, was wir für ihn vorbereitet haben, nehmen wir das einheitliche Menü und die Verpflegung dankend an. Wir können uns glücklich schätzen, eine Kita gefunden zu haben, die das überhaupt anbietet. Und ich spare mir tägliches Vorkochen. Hallelujah! Das tägliche Kochen geht mir sowieso schon auf den Sender. Und ich habe nach acht Monaten auch keine Ideen mehr… und keine Lust. Wir kochen täglich abends frisch, also wird er weiterhin genügend kulinarische Abwechslung bekommen. 

Dann das Thema Schuhe… nach dem ersten Tag fiel mir auf, dass er den ganzen Tag in seinen Straßenschuhen war. Auch drinnen, im Raum. Ich ging ganz selbstverständlich davon aus, dass bei sommerlichen 30 Grad die Kids drinnen in Socken laufen würden. Da dem nun nicht so war, brachte ich Haussocken mit und bat darum, wie ich es aus Deutschland gewöhnt war, ihm diese tagsüber im Raum anzuziehen. Ich konnte sie allerdings gleich wieder einstecken, denn die unverhandelbare Antwort war: nicht erlaubt. Die Kids müssen feste Schuhe tragen, damit sie im Notfall schnell rausrennen können. Zwar weiß keiner warum, aber so ist es vom Bundesstaat vorgegeben. Ich nehme an, dass es darum geht, dass sich die Kids nicht an den Füßen verletzen oder erkälten, wenn sie vor dem Feuer fliehen… Mir wäre das ja egal, wenn mein Kind dafür einem Feuer oder anderen Notfall entkommt. Dafür sich aber auch nicht die kleinen Füsse für sein Leben versauen würde. Aber ich bin ja auch kein Orthopäde und womöglich übertreibe ich hier. Aber mit den Straßenschuhen auf dem Teppich in der Kita herum zu laufen, auf dem auch der Schlafsack liegt, in dem sie schlafen, ist für mich auch nicht optimal. Und beim Schlafen die Schuhe auch noch anzulassen sowieso nicht. Aber das muss natürlich sein, wegen Notfall und so, ihr wisst. Der kann ja auch im Schlaf kommen. Naja, andere Länder, andere Sitten. Immerhin werd ich jetzt im Winter ein paar leichte Sommerschuhe oder Sandalen mitgeben, damit der Krümel nicht sieben Stunden im geschlossenen Raum in gefütterten Winterschuhen verbringen muss. 

Wenn es aber sehr heiss oder sehr kalt ist, gehen sie eh nicht raus. Da wären wir schon beim nächsten Kopfschüttel-Thema: die allgemeine Richtlinie, ab oder bis zu einer bestimmten Gradzahl nicht rauszugehen. In seinen ersten, schwierigen Kita-Tagen zeigte der Krümel jeden Tag in den Garten auf den Spielplatz und wollte dahin. Auch am dritten Tag gingen sie aber nicht raus. Entweder hatte es geregnet oder es war, wie mir dann auf Nachfrage gesagt wurde, zu heisses Wetter angesagt. Und es gebe Vorschriften (oder Empfehlungen seitens der Behörde), je nach Angabe im Wetterbericht nicht rauszugehen. Das heißt im Sommer über 30 Grad und im Winter unter 0. Ich verstehe, dass man bei Regen nicht rausgeht. Auch, wenn es unerträglich heiß oder schrecklich kalt ist. Aber 30 Grad können angenehm und im Schatten noch lange keine 30 Grad gefühlt sein, und 29 können schrecklich auf den Kreislauf gehen. Genauso können sich 5 Grad eisig, null Grad aber angenehm anfühlen. Vielleicht bin ich zu naiv, wenn ich denke, dass gut ausgebildete Erzieherinnen und Tagesmütter, die Ihre Kids auch kennen, auch ohne solche Vorgaben entscheiden könnten, wie lange es für die Kinder sicher und gut ist, rauszugehen. Vielleicht gibt es solche Richtlinien auch in Deutschland und ich weiß nur nichts davon, weil sie einem nicht immer und überall vorgetragen werden. Hier hat man aber das Gefühl, dass der Gegenüber immer sicher gehen will, dass er alle Richtlinien, Gesetze, Vorgaben und Ähnliches nicht nur einhält sondern auch erwähnt und das gleich sieben Mal, damit er auch ja nicht wegen irgendetwas verklagt wird. Und immer muss man etwas unterschreiben und sein Einverständnis zu allem geben. Sogar dazu, dass die Erzieherin im Falle eines Notfalls den Krankenwagen rufen darf… wenn ich das nicht unterzeichne, müsste sie erst mich anrufen, damit ich den dann rufe oder ihr dann auftragen kann, es zu tun. Bisschen crazy, oder? Miss D. hat sich dann für unser Vertrauen bedankt und dass es ja so sinnvoll wäre, ihr diese Möglichkeit zu geben. ich habe mich dann gefragt, ob es wirklich Eltern gibt, die das nicht unterschreiben? Aber gut…
Mittlerweile gehen sie in Krümels Kita fast täglich raus, verbringen also zum Glück sehr viel Zeit draussen. Das ist ja immerhin auch das Beste. Aber mal sehen wir lange noch… wir kratzen an einigen Tagen verdächtig an der Null…

Noch ein schönes Thema, das mich anfangs sehr schockierte: der angesprochene Fernseher in der Kita. Zwar ist das sicherlich nicht in allen Kitas Gang und Gäbe, aber doch häufig anzutreffen. Und auch hier gibt es Richtlinien des Bundesstaates, wie lange und welche Formate empfohlen werden, bzw. was als akzeptabel betrachtet wird. Was für mich völlig undenkbar war, ist nun Normalität. Ja, ich war zu Beginn auch schockiert, aber auch hier habe ich bemerkt, dass die meisten anderen hier das nicht unangebracht finden. Sowieso wird das Thema „Fernsehen für Kinder“ sehr viel lockerer gesehen.

Das für mich einschneidendste Thema war dann doch die fehlende Eingewöhnung. Das mag mit Corona jetzt nochmal einfach einen zacken schärfer sein, aber grundsätzlich ist in den meisten Kitas keinerlei Übergangsphase oder Gewöhnung vorgesehen. Maximal darf man am Tag vor dem Beginn mal ne Stunde vorbeischauen. Ich fand den Ansatz in Deutschland zwar auch teilweise etwas viel oder künstlich in die Länge gezogen. Wir hatten dazu in Düsseldorf anfangs auch so unsere Probleme mit der damals zuständigen Erzieherin, die es partout auf mindestens vier bis sechs Wochen Eingewöhnung bringen wollte und schon vorab festlegte, dass meine optimistisch geplanten zwei nicht ausreichen werden. Dank der Unstimmigkeiten gab’s dann auch ein paar kleinere Probleme, aber nach drei Wochen lief alles bestens. Sicherlich gibt es Kinder, die (viel) länger als das brauchen, aber hier sollte doch einfach auf die Kinder (und vor allem die Eltern und ihr Verhalten) geachtet werden. Hier in den USA wird da allerdings auf gar nichts wirklich geachtet, außer vielleicht darauf, dass die Eltern schnellstmöglich wieder arbeiten gehen können. Während ich in den ersten beiden Wochen mein schreiendes Kind versuchte zu trösten und zu beruhigen bevor ich ihn verließ, musste ich so einige Seitenblicke anderer Mütter einstecken. Mir war klar, dass sie mich womöglich für ne Helikopter-Mutter halten. Und dass sie denken, ich solle mich nicht so anstellen. Ich begann also, mich zu rechtfertigen. Ich erklärte, wie die Eingewöhnung in Deutschland so von statten geht… und dass das „Einfach-an-der-Tür-Abgeben“ für mich gerade etwas unverständlich und schwierig ist. Zumal für den Krümel nicht nur die Kita neu war sondern ja auch das ganze Land, sein Wohnort, sein Haus, sein Zimmer, die Sprache, die Menschen um uns herum. Warum fand das hier anscheinend keiner Wert, sich darüber Sorgen zu machen? Oder kann man sich einfach keine Sorgen leisten? Aus dem (amerikanischen) Bekanntenkreis hörte ich, ich solle mir keine Sorgen machen, es würde des Krümel stärker machen. Ihn auf’s Leben vorbereiten. Ich habe nichts dagegen, mein Kind nicht in Watte und Hygienetücher zu packen, aber muss ich ihn deshalb gleich im Stich lassen und kaltherzig angeben, wenn ich sehe, dass er in Panik ist? Aber warum über moderne entwicklungspsychologische Erkenntnisse hinwegsehen, wenn es auch altmodisch geht? Immerhin geht es so schneller. Das meinte auch eine andere Mutter. Sie lebte mit ihrem ersten Kind einige Jahre in Deutschland. Ich erwartete nicht zwingen einen Lobgesang auf mögliche sechs Wochen Eingewöhnung, aber zumindest eine positive Meinung über den kinderfreundlicheren Ansatz… aber nix da. „Bloss gut, dass die das hier nicht machen. In Deutschland das war ja schrecklich. Die wollten, dass ich da zwei Wochen mit rumsitze. Das war überhaupt nicht mit meinem Job zu vereinbaren. Wie soll man denn sowas machen? Hier war’s super. Abgeben, fertig. Meine Tochter weint eh regelmässig eine Woche im Monat beim Abgeben, wenn sie „ihre Phase“ hat. Ist ganz normal. Mach Dir da keinen Kopf.“ – Puh. Das musste ich selbst erstmal sacken lassen. Wie gesagt, jeder, der mich kennt, weiß, dass ich auch nicht vor Freude im Dreieck gesprungen bin als ich hörte, die planen sechs Wochen Eingewöhnung. Aber eine solche Aussage einer Mutter schockierte dann auch mich. Aber sie zeigte, was halt wichtig ist im alltäglichen Leben: der Arbeitgeber. Und in vielen Fällen damit einfach das Überleben. Dass man schnell wieder arbeiten gehen kann, ist überlebensnotwendig. Wie soll man das auch machen, vier Wochen Eingewöhnung? Grad mal zwei bekommt man hin mit nur 10 Tagen Urlaub, wenn man auch seinen ganzen Jahresurlaub für die Eingewöhnung draufgeben kann oder will. Und bei nur sechs Wochen Mutterschutz/Elternzeit wird es auch schwierig, die Eingewöhnung da noch mit einzubauen. Es sei denn, man möchte mit seinem Neugeborenen direkt aus dem Krankenhaus in die Kita zur Eingewöhnung fahren. Das ganze System ist nicht darauf ausgerichtet, dass Mütter oder Eltern Zeit haben, sich von der Geburt zu erholen, in die neuen Rollen zu wachsen und zunächst erst einmal nur einzig und allein um die Bedürfnisse des Kindes zu kümmern. Das bleibt nur denen vorbehalten, die es sich leisten können, unbezahlt zu Hause zu bleiben. Oder diejenigen, die das Wohl des Kindes über ihre finanziellen Dinge stellen und sich für den Nachwuchs mit nur einem Einkommen durchschlagen. Da bleibt eben auch nicht viel Raum, sich darum Sorgen zu machen, ob die fehlende Eingewöhnung sich negativ auf die Entwicklung des Kindes oder der Eltern-Kind-Beziehung auswirkt. Denn selbst wenn, was dann? Viel Möglichkeit ist hier nicht. Dann bleibt nur verdrängen. Und die Überzeugung „Was sie nicht umbringt, macht sie stärker. Wir haben’s auch überlebt.“ Wenn in Deutschland auch nicht alles perfekt ist, vieles ist aber sehr, sehr gut. Das wird einem hier sehr bewußt.

Ich habe aber im Gespräch darüber auch an vielen Stellen Zustimmung zu meinen Zweifeln an dem amerikanischen Vorgehen bekommen. Immer mehr Mütter – zumindest hier in der wohlhabenderen Gegend – scheinen sich nach Kitas umzusehen, die eine gewisse „transition period“ einplanen und eine Eingewöhnung anbieten. Von einer bekam ich sogar gesagt: „Mach eine deutsche Kita auf. Eine mit Euren Standards und Ansätzen. Ich sage Dir, die Eltern hier rennen Dir die Bude ein!“ Ganz coole Idee eigentlich, wenn ich nicht nur so gar keine Lust darauf hätte, Erzieherin zu sein…

Bei allen Unterschieden und Schwierigkeiten sind wir doch aber sehr glücklich in unserer Kita, denn Miss D. ist fröhlich, liebevoll, zuvorkommend, engagiert, flexibel und immer verständnisvoll und hilfsbereit, lehrt die Kids Anstand und vermittelt ihnen wichtige Werte. Diese Kids sind ihre Kids. Und die kleine Kitagruppe ist super international: Acht Kinder mit sieben verschiedenen kulturellen Hintergründen, die insgesamt sieben verschiedene Sprachen sprechen. Der Krümel hat Freunde gefunden und wir ein gutes Gefühl, wenn er dort ist. Trotz immer gleichem Menü, trotz Strassenschuhen im Raum, trotz TV vor dem Mittagsschlaf und trotz zerreißenden zwei ersten Wochen. Man gewöhnt sich einfach an neue, andere Dinge. Man verdrängt vielleicht manches, was man nicht ändern kann. Oder man merkt dass manches eben vielleicht doch nicht so wichtig ist, wie man dachte.

Der Krümel bekommt Essen, wird geliebt, hat dort Spaß und lernt enorm viel. Was will man mehr?

2 Kommentare

  • Jonna

    Ich kann dein Gedankenkaroussel gut nachfühlen. In England erging es uns ähnlich und was ich rückblickend sagen würde: auf das eigene Bauchgefühl hören. Es ist der einzige Maßstab.
    Ich habe mir die gleichen Gedanken gemacht wie du, es gibt viele rationale Gründe, die für das eine oder andere Modell sprechen, letztendlich ist aber, wie wir mit unseren Kindern umgehen wollen, kulturell sehr tief verankert. Es geht um deine Werte, das Innerste und da kann der Kopf nicht alles entscheiden.
    Wir haben damals letztendlich den Kindergarten noch einmal gewechselt, weil mein Bauch mir sagte, es stimmt was nicht. Und das war gut so. Dem Mama-Instinkt zu vertrauen ist schwer, wenn man dem Neuen gegenüber aufgeschlossen sein will.

    • dorfmama

      Ja, da bin ich ganz bei Dir, liebe Jonna. Mutterinstinkt ist immer das Beste. Normalerweise ist meiner auch gut ausgeprägt, würde ich sagen, und ich hab großes Vertrauen in ihn. Nur an diesen ersten Kita-Tagen was unsere Beziehung etwas gestört. So wenig Mutterinstinkt-Sicherheit hatte ich in meinen ganzen drei Jahren Muttersein tatsächlich noch nicht. Vielleicht war ich auch deshalb so erschüttert, weil ich meinen Instinkt nicht mehr hören konnte. Umso schöner und besser, dass das schnell vorüber ging und wir uns gefunden haben. Ich würde ihn jetzt keinesfalls dort wieder herausnehmen. Der Krümel liebt Miss D. und die anderen Kids, wir lieben sie, sie lieben ihn… Hallelujah! 🙂 Wenn das nicht wäre, hätten wir aber auch noch einmal gewechselt. Da kann ich Dich total verstehen. Vor allem, wenn Dein Bauch sagt, da stimmt was nicht. Dann kannst Du ja Dein Kind nicht täglich mit einem guten Gefühl abgeben und stundenlang da lassen. Schrecklicher Gedanke.

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