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Jaaaaa… sie leben noch!

Aber wo genau?

Juni 2022. Wir sind zurück. In Deutschland. Also physisch. Psychisch noch nicht. Es wird zwar von Tag zu Tag besser, und dem Mann fällt es etwas leichter als mir, aber im Kopf sind wir noch lange nicht wieder da. Wir vermissen unser Zuhause, unsere neu gewonnen Freunde und den mühsam erarbeiteten und an unsere Bedürfnisse angepassten Alltag: Montessori-Preschool für den Krümel, Job und regelmäßig Sport für mich, Job vor Ort für den Mann und gemeinsam aufgebauter Nachbarschafts- und Freundeskreis, Urlaube und regelmässige Trips nach New York.

Endlich ließ das Gefühl des Lockdowns nach, wir konnten nach Deutschland reisen, Familie und Freunde haben uns in den USA besucht, die Nachbarn luden uns endlich in Ihre Häuser ein und der Krümel war groß genug und sprach genügend Englisch, um einfach mal mit den Nachbarskindern zu spielen. Wir waren angekommen und fühlten uns sehr wohl. Richtiger Zeitpunkt also, die Sachen wieder zu packen und woanders wieder neu anzufangen…. Yay! *Ironie off*

Das letzte halbe Jahr – und sogar noch länger – waren wir mit unserem Alltag und Besuchen deshalb gut beschäftigt:

Nach Erteilung der Ausnahme-Reisegenehmigung stand für uns also ein erster Heimatbesuch in Deutschland an. Oh Mann, waren wir aufgeregt. Zwei Wochen vorher vermieden wir alle unnötigen Kontakte. Nicht, dass wir bis dahin super viele Kontakte aufgebaut hätten, aber unsere Hand verlesenen Freunde sahen wir ja regelmäßig. Zwar waren alle auch vorsichtig und jeder hatte so seinen engen Bekanntenkreis, über den er nicht hinaus verkehrte, und die Covid-Fallzahlen in Pennsylvania waren nicht dramatisch, aber die Kids gingen alle zur Schule und in die Kita (auch mit Maske) und wir wollten kein Risiko eingehen. Die Aufregung und Angst, etwas könnte noch dazwischenkommen, waren einfach zu groß. Wir waren hin- und hergerissen zwischen Angst – „bloß nicht zu früh freuen“ – und immenser Vorfreude, alle wiederzusehen. Durfte man sich freuen? Sollte man sich freuen? Oder einfach lieber nicht zu viel erwarten? Und lieber davon ausgehen, dass es nicht klappt? Bis mein Bruder etwas sehr Schlaues sagte: „Traurig und enttäuscht sind wir alle eh, wenn es nicht klappt. Dem kannst du nicht entgehen. Also genieß wenigstens die Vorfreude.“ und er hatte recht. Ganz wurden wir die Angst zwar nicht los, aber wir fingen kurz vorher doch an Pläne zu schmieden, ein paar Freunden Bescheid zu sagen und Krümels 4. Geburtstag zu planen. Denn glücklicherweise konnten wir genau dann da sein. So kam er sogar zu drei Geburtstagsfeiern: eine in NRW mit Freunden und Familien dort, eine in Berlin mit Freunden und anderem Teil Familie, und eine zu Hause nach unserer Rückkehr mit unseren Freunden hier in Philly. Das muss mal erstmal einer nachmachen. 

Wir kamen also morgens um sieben Uhr nach einem 8-stündigen Nachtflug in Frankfurt am Main an. Die Pandemie hatte dafür gesorgt, dass die Autovermietungen ihre Flotten stark verkleinert hatten, was dazu führte, dass die Autos gnadenlos überbucht waren (wie das geht, keine Ahnung). Die freundliche Dame bei Sixt fing an zu suchen… nach einem Auto… immerhin hatten wir eines reserviert… auch noch über einen Business Account… sie suchte… und suchte… und suchte. Nach gut anderthalb Stunden rief sie: „Ich habe eine gute Nachricht für sie: ich habe ein Auto!“ Dabei schaute sie als müssten wir ihr dafür die Füße küssen und uns ehrfürchtig bedanken. Ich – kurz vorm Durchdrehen – dachte nur: „Ja, haben wir ja bestellt. Also her damit!“ Sie präsentierte uns freudig einen X3… und da merkten wir das erste Mal, dass wir jetzt etwas anders sind. Versteht mich nicht falsch, tolles Auto. Und auch groß. Aber wenn man einen US-SUV gewohnt ist, in dem man locker den Buggy, drei große Koffer, zwei kleine Koffer, mehrere Taschen, eine Kinderbettmatratze und fünf Menschen drin unterbringen kann, dann ist der X3 doch eher… winzig. Zum Glück hatten wir nicht so viel Gepäck dabei wie wir bei den Reisen mit unserem Auto hier in den USA mitnehmen. Als hätten wir‘s berechnet passte alles gerade so rein. Und wir auch… gerade so. Die große Freiheit Amerikas hatte uns also direkt im Mietwagen schon verlassen und in deutsche Dimensionen gepresst. Was uns da noch amüsierte, sollte mir die kommenden Tage einen guten Vorgeschmack auf den mir bevorstehenden Reverse-Schock geben. 

Ja, Reverse-Kulturschock, so nennt man das Phänomen, was Menschen bei der Heimkehr in ihr Heimatland nach einem längeren Auslandsaufenthalt erleben.  Also wie der Kulturschock beim Umzug in ein fremdes Land, nur anders herum. 

Mir war schon vorher klar, dass es viele Dinge hier gibt, die ich zurück in Deutschland sehr vermissen werde, aber dass es mir schon bei einem zwei-wöchigen Besuch so deutlich werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Alles in allem hatten wir aber natürlich eine tolle Zeit und genossen das Wiedersehen mit Familie und Freunden sehr. 

Zurück zu Hause in den USA hatte ich dann auch im September einen zusätzlichen Job angefangen und arbeitete als Parent Ambassador für eine jüdische Organisation in Philly, jkidphilly. Das traf sich super, denn die suchten jemanden, der in unserem County (= Bezirk), dem größten in Greater Philadelphia Area, Familien mit jüdischen Kindern zusammenbringt, Events und Treffen organisiert, die Familien einander vorstellt, Networking macht und Community Building. Und ich suchte eine Möglichkeit, mit dann einfacheren Pandemiebedingungen neue Kontakte zu knüpfen und andere Leute kennen zu lernen. Und endlich auch einen Job in Amerika zu haben und Englisch zu sprechen. Dank der Pandemie und der Lockdowns hatte ich ja eher da Gefühl Englisch zu verlernen, weil wir kaum jemanden trafen, als mehr zu lernen. Das änderte sich dann schlagartig durch den neuen Job, der mir nicht nur sehr viel Spaß machte, sondern bei dem ich auch sehr viel Englisch sprechen (und schreiben) konnte und eine ganz neue Arbeitskultur und viele wunderbare Menschen kennenlernen durfte. Und es war großartig. Auch der Krümel machte eine große sprachliche Entwicklung mit. Da in seiner Daycare viele Kinder Ende im Herbst 2021 auf die Preschool wechselten, war er auf einmal der einzige „große“ mit vier Jahren und umgeben von 1,5 – 2,5-Jährigen. Er kümmerte sich zwar rührend und war sehr rücksichtsvoll und eine Hilfe für die Lehrerin Miss Diane, aber umgeben von nur Kleinen „Brabblern“ war uns klar, dass er sein Englisch nicht ausbauen könnte. Also entschieden wir uns kurzerhand, ihn auch für die letzten sieben Monate noch auf eine Preschool wechseln zu lassen. Zwar war die Umgewöhnung nicht einfach, aber im Nachhinein genau die richtige Entscheidung. Er hat tolle Freunde gefunden, mit denen er weiterhin facetimed und viel Englisch gelernt. 

Ende des Jahres kamen dann meine Eltern zu Besuch. Finally! Nach so langer Zeit konnten wir endlich unser Haus und unser neues Zuhause, unsere Gegend, zeigen. Zwar war das im Dezember – bei grauem, kalten Wetter und steigenden Corona-Zahlen – nicht so einfach und beeindruckend wie vielleicht im blühenden Frühling oder beeindruckenden Indian Summer, aber wir haben einfach nur versucht, die gemeinsame Zeit zu genießen. Kurz nach Silvester: meine Eltern flogen wieder, Corona kam. Meine Eltern blieben verschont, der Krümel begann mit Fieber, wir folgten mit Husten und Abgeschlagenheit. Einige Tage pure Angst, es könnte schlimmer werden, folgten. Es wurde nicht viel schlimmer, nur kam es infolgedessen bei mir zu einer Bronchitis. Ein paar Krankheiten später und es stand schon der Trip nach Deutschland in Vorbereitung auf die Repatriation (den Rückzug nach Deutschland) an. 


Wir flogen (und fuhren) also nach Hamburg, um uns potenzielle Schulen und Wohngegenden anzuschauen. Ursprünglich sollte diese Reise nach Hamburg, Düsseldorf/Köln und Berlin gehen, um sich dann für eines zu entscheiden, aber nach diversen Diskussionen, Scheidungsdrohungen und letztendlich professionellem Erarbeiten einer Lösung mit unserer Repatriation-Coachin wurde schnell klar, das Düsseldorf und berlin aus diversen persönlichen Gründen raus sind. Und da Hamburg die einzige Stadt war, die von beiden anderen nicht zu weit entfernt ist, nah am Meer liegt, bezahlbare bilinguale Schulen bietet (ganz im Gegensatz zu Düsseldorf und Köln zum Beispiel) und uns beiden gefällt, war dann die Entscheidung doch einfach. Aber nun hieß es also kompletter Neuanfang die Zweite. Aber dazu später nochmal mehr. 

Schnell war dann auch der April ran… und der Besuch des Ehemanns Cousine und ihrer Tochter, direkt danach unsere Freunde aus Toronto, dann noch schnell Abschied feiern und schwupps, kam Mitte Mai die Umzugsfirma, um all unsere Habseligkeiten wieder in 265 Teile zu verpacken und in einem Container zu verschiffen. 

Bevor wir dann mit unseren sieben Sachen (buchstäblich – sieben Teile zum einchecken) wieder nach Deutschland flogen, verbrachten wir aber noch zwei Wochen Sommerurlaub in Florida… noch schnell was vom Land kennenlernen bevor man wieder weg ist. Florida ist ein ganz eigenen Kapitel und vielleicht schreibe dir ch dazu später noch was. 

Denn ich hab in diesen ganzen Monaten zwar viele meiner Gedanken notiert, aber meist nicht ausformuliert, geschweige denn, „veröffentlichbare“ Beiträge daraus machen können. Ich möchte aber auch unsere Erfahrungen und Eindrücke aus dieser Zeit mit Euch teilen. Deshalb werde ich jetzt nach und nach so viel wie möglich aufarbeiten oder in aktuelle Beiträge verwurschteln. Also, stay tuned! 

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