Alltags-Highlights
Es ist jetzt Anfang Februar. Wir sind seit 11 Monaten hier in den USA. Es fühlt sich an als wäre es gestern gewesen. Eine wirklich große Veränderung, aber nur sehr wenig Neues. Viel zu wenig. Viel weniger zumindest als wir unser vorgenommen hatten. Der Alltag ist immer gleich. Wie bei Euch allen sicherlich auch. Unter der Woche sehen wir eigentlich keine anderen Menschen, außer der Krümel, der zum Glück in die Kita geht. Am Wochenende treffen wir uns mit unseren Freunden, dem einem Pärchen, oder unserer Cousine und Ihrer Familie. Oma in Brooklyn haben wir seit Monaten nun schon wieder nicht gesehen. Dieses ewig alleine Zu-Dritt-Sein wird immer schwieriger für alle. Das Wetter ist meist schlecht – grau und super kalt – und ich kann den Frühling nicht abwarten. Immerhin gab es vor ein paar Tagen mal wieder Schnee… es schneite zwei Tage lang durch. Schneeschippen mindesten zwei Mal am Tag. Schneemann bauen. Schneeengel machen. Schlitten fahren. Eine willkommene Abwechslung, die wir sehr geniessen. Zumindest sind die Einschränkungen hier aber auch nicht ganz so dramatisch wie derzeit in Deutschland. Wir können weiterhin mit Maske und Abstandsregelungen überall shoppen gehen. Manche Museen haben geöffnet, die Restaurants seit Januar nicht nur im Outdoor-Betrieb sondern auch mit Abstandsregelungen und 25% Kapazität zum Indoor-Essen geöffnet. Aber Kontakte zu anderen sind auf ein Minimum heruntergefahren. Noch weiter als eh schon. Denn es ist einfach viel zu kalt im sich draußen mit den Nachbarn zu treffen. Also sieht man auch sie kaum noch.
Das frustriert immer mehr, weil man sich denkt: „Dafür hätte ich nicht so weit weg ziehen müssen. Das hätte ich auch woanders haben können.“ Und dann sind da doch diese Kleinigkeiten, die wir nur haben, weil wir hierher gekommen ist. Die mir immer wieder auffallen. Und die ich sehr vermissen werde, wenn wir wieder zurück gehen. Und dabei meine ich nicht das schöne große Haus. Das ist ja größer als eine Kleinigkeit. Eine „Grossartigkeit“, sozusagen. Aber ich meine die kleinen Dinge, die einem oft erst auf den zweiten Blick auffallen. Also denke ich, man sollte diese Aspekte einmal feiern und teilen:
Das Abbiegen
Wir kennen den grünen Rechtsabbieger-Pfeil aus Deutschland. Hier ist grundsätzlich das Rechtsabbiegen an einer roten Ampel nach vorherigem Halten erlaubt, solange es nicht durch ein Schild explizit verboten ist. Und das kommt nicht so oft vor. Das erleichtert den Verkehrsfluss ungemein und macht viel Spaß beim Fahren. Yayyy!
Die Häuser
Ich liebe einfach die Häuser hier. Zumindest von außen. Es macht mir so viel Spaß einfach durch die Gegend zu fahren und Häuser anzuschauen. Mit ihren Fensterläden, der der Holzverkleidung außen, der Veranda vorne raus, der Terrasse hinten raus, dem langen Driveway, dem Zugang von der Garage direkt ins Haus, den offenen Treppen. Jetzt, wo es abends zeitig dunkel wird, kann man sehr oft auch hineinschauen. Denn die meisten habe keine Gardinen vor den Fenstern. Das liebe ich total.
Oft sind die Häuser innen eher altmodisch, die Decken sehr niedrig. Nur die neueren, moderneren sind meist typisch offen, mit „amerikanischen“ Küchen, schönen Bädern. Aber diese Häuser sind dann auch besonders toll, wie ich finde. Wenn ich mir ein Haus in Deutschland aussuchen dürften, wäre es eines nach amerikanischer Art.
Die Garage
Ich erwähnte es grad schon: der Zugang von der Garage direkt ins Haus. Auch wir haben diesen Zugang. Die Garage ist fast immer am oder eigentlich im Haus untergebracht. Das hat mehrere Vorteile: die Garage lässt sich über eine Fernbedienung im Auto öffnen. Damit ist dann das Haus somit schon offen und Mann muss nicht durch die Haustür und diese erst noch mit einem Schlüssel aufschließen. Außerdem ist man vor Wind und Wetter geschützt. Zumindest wenn man mit dem Auto in die Garage fahren kann. Unsere ist zu kurz und das Auto zu groß. Aber zumindest stehen wir direkt davor und die Wege sind immer noch super kurz. Man schleppt die Tüten einfach nur durch den Zugang direkt in die Küche.
Das Einpacken
Und wo wir grad bei Einkäufen sind: was ich definitiv am meisten vermissen werdende der Einpack-Service an der Kasse. Oh Mann, wie gestresst und genervt war ich immer an deutschen Kassen, wenn der Einkauf super schnell gescannt wurde, ich kaum mit dem zurückpacken in den Einkaufswagen hinterher kam, geschweige denn ihn gleich sinnvoll in Tüten zu packen und zeitgleich das Portmonee aus der Handtasche zu fischen, zu zahlen und im schlimmsten Fall dabei den 2-Jährigen noch zu halten oder vom Weglaufen oder überrannt werden abzuhalten. Druck pur, schwitzen, die Augen der ungeduldigen Menschen in der Schlange hinter mir, Herzrasen, Aggression aufsteigen, Stress!!!!!!! Aber hier… wie himmlisch, es wird eingepackt. Entweder direkt durch die Person an der Kasse oder jemand Zweiten. Und als Kunde muss man dann nur in Ruhe seine Geldbörse rausholen, zahlen und seinen mit Tüten gefüllten Einkaufswagen rausschieben. Herrlich!!!
Das Parken
Und wenn wir auch grad schon beim Einkaufen sind, kommen wir zum nächsten Aspekt, den ich sehr genieße: den vielen Platz. Und ganz besonders – neben der weiten Natur – die großen Parkplätze vor den Einkaufsmärkten. Zwar ist die Parkplatzsuche in der Stadt eine Katastrophe, das Parken beim Einkaufen vor großen Geschäften und Zentren aber insbesondere am Rande der Stadt und außerhalb ist ein Geschenk. Man stelle sich eine typische Ikea-Parkplatz-Grösse als normale Größe eines Parkplatzes des hiesigen Lebensmittelgeschäfts vor. Man muss sich nie Sorgen darum machen, keinen Parkplatz zu bekommen. Der einzige, der auch auf einem solchen Parkplatz fünf Minuten einen Parkplatz sucht, ist mein Mann. Nicht aber, weil keiner frei wäre. Sondern weil so viele frei sind, dass sich mein Gatte bei so viel Auswahl nicht entscheiden kann.
Die Häuser-Deko
Kommen wir mal weg vom Thema Einkaufen, auch wenn es in Pandemie-Zeiten das wöchentliche Highlight ist, der Mann das sowieso liebt und Stunden dabei zubringen kann, und es einem hier so angenehm gemacht wird. Und kommen wir zurück zu den Höusern. Oder besser gesagt zu deren „Aufmachung“. Gegen Ende des Sommers überkommt einen ja oft so eine Wehmut. Zumindest mir geht es so. Die Tage werden schnell kürzer, die Temperaturen fallen, der Himmel wird grau und das Wetter regnerisch. Das kann einem schnell auf‘s Gemüt schlagen. Wenn man dann aber hier durch die Straßen fährt und die geschmückten Häuser und Vorgärten sieht, geht einem das Herz wieder auf. Richtig los geht es Ende September, Anfang Oktober vor Halloween. Überall sieht man Spinnenweben in den Bäumen und an den Hauswänden, Geister hängen an der Front Porch, Gräber zieren den Garten und Kürbisse liegen überall als Deko als wären sie in Scharen vom Himmel gefallen. Alles ist liebevoll in wundervollen Herbstfarben geschmückt und wird von Vogelscheuchen bewacht. Es ist im Prinzip unmöglich, da nicht mitzumachen.
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Richtig prunkvoll und spannend wird‘s dann aber nach Halloween, wenn Weihnachten vor der Tür steht. Angefangen von Kerzen in jedem einzelnen Fenster bis hin zum aufblasbaren Santa Claud mit Schlitten und Rentieren in Lebensgrösse und mit Beleuchtung ist alles dabei. Und oftmals alles auf einmal. Viele der Häuser sind für ihre Dekoration bekannt und nach Einbruch der Dunkelheit Ausflugsort für Familien. Und selbst wenn es keine bunte großartige Dekoration an sich gibt, eigentlich jedes Haus hat irgendwelche Lichterketten an, ums oder vor dem Haus. Und es sieht sooooo wunderschön aus. Ich finde das ganz herzerwärmend, wie alle sich mehr oder weniger, aber auf irgendeine Art und Weise damit beschäftigen, Feiertagsstimmung zu kreieren. Und dann wirkt es wirklich öde, wenn das im Januar alles verschwindet. Ich bin gespannt, ob oder was uns vielleicht im Frühling erwartet.
West Chester Griswolds
Ich merke, dass der Kulturschock langsam nachlässt und ich immer mehr feststelle, was ich hier alles mag. Und dass ich mich mittlerweile sehr wohl und auch – soweit in einer Pandemie möglich – angekommen fühle. Da ist es fast erschreckend, dass wir die Hälfte der Zeit schon rum haben und alles in genau einem Jahr schon wieder zu Ende sein soll…